Der Zauber einer weiblichen Stimme klingt in den Ohren des jungen Königs so süß, dass er sich verliebt. Doch statt einem schönen jungen Mädchen gehört die Stimme einer hässlichen Alten, die mit ihrer nicht minder verschrumpelten Schwester in einer ärmlichen, verfallenen Behausung lebt. So beginnt »La Scortecata«, das vieldeutige zehnte Märchen des ersten Tages in Giambattista Basiles Märchensammlung »Lo cunto de li cunti« (übersetzt: »Das Märchen der Märchen«). Dabei handelt sich um ein »Pentamerone« – eine Sammlung von 50 Geschichten, die nach einer neapolitanischen Tradition in fünf Tagen zu erzählen sind. Die große sizilianische Regisseurin Emma Dante hat dieses Märchen für Erwachsene zum Ausgangspunkt für ihre Produktion genommen. Der Titel entstammt dem neapolitanischen Dialekt und bedeutet so viel wie »Die Geschundene«, was das Schicksal der hässlichen Alten andeutet, der es nicht gerade wohl ergeht.
Emma Dante, die mit ihrer COMPAGNIA SUD COSTA OCCIDENTALE bei nahezu allen großen internationalen Festivals gastierte, hat die beiden einzigen Rollen mit Männern besetzt: Die beiden alten Frauen werden von den italienischen Theaterstars Salvatore D’Onofrio und Carmine Maringola gespielt. Emma Dante inszeniert diesen leichten, abgründigbösen Abend im Stil einer modernen Commedia dell’Arte und in altem neapolitanischen Dialekt. Dabei ist großes Schauspieler-Theater entstanden, das den schönen Schein hinterfragt und die Begriffe von Schönheit und Alter, Liebe und Verlangen ironisch auf den Kopf stellt. Das KUNSTFEST WEIMAR präsentiert die in Italien und Frankreich gefeierte Produktion als deutsche Erstaufführung.
Produktionsvorankündigung in der Thüringer Allgemeine, am 8.9.2020
GROßES SCHAUSPIELERTHEATER AUS ITALIEN IN WEIMAR
Kunstfest-Köpfe: Emma Dantes „La Scortecata“ als deutsche Erstaufführung beim Weimarer Festival
Sie gehört zu den ganz großen Regienamen südlich der Alpen: Die Rede ist von der sizilianischen Regisseurin und Autorin Emma Dante, die mit ihren Inszenierungen mittlerweile auf so ziemlich allen wichtigen Festivals eingeladen gewesen sein dürfte. Noch in diesem Juli sollten eigentlich gleich zwei neue Projekte beim großen Festival d´Avignon aufgeführt werden – allerdings wurde das berühmte Theatertreffen wegen Corona abgesagt.
Dem Kunstfest-Publikum dagegen wird der ganz eigene Bühnenkosmos der Regisseurin nicht entgehen, die genauso kunstvoll großformatige Oper für die legendäre Scala in Mailand inszeniert, wie sie mit dem kleinen Format für ihre eigene Compagnia Sud Costa Occidentale brilliert. Kern ihrer eigenen Schauspielprojekte sind zumeist stark dialektal geprägte Vorlagen, die aus der volkstümlichen italienischen Literatur oder literarischen Folklore stammen. Aber selbst wenn sie mythologische Stoffe inszeniert, wie vor einigen Jahren „Medea“, dann gerät ihre Adaption so, als handele es sich um eine zeitlose, volkstümliche italienische Tragödie, die sich noch heute genauso wie vor Hunderten von Jahren irgendwo im tiefen Süden Italiens hätte zutragen können.
Wenn man die Künstlerin nach dem Geheimnis ihrer ungemein intensiven, ja mitreißenden Theaterabende fragt, dann verweist sie schlicht auf die Gruppe von Schauspielern, mit denen sie seit Jahren zusammenarbeitet. Sie gehören unbestreitbar zum Besten, was das italienische Theater zu bieten hat. Einer von ihnen, der große Carmine Meringola, ist zugleich ihr langjähriger Bühnenbildner und Ehepartner. Er gastiert am Dienstag und Mittwoch mit dem nicht minder stupenden Salvatore d´Onofrio mit der deutschen Erstaufführung von „La Scortecata“. Die alte neapolitanischen Geschichte aus Giambattista Basiles Märchensammlung „Lo cunto de li cunti“ wird im E-Werk von Weimar gezeigt. Freuen sie sich also auf grandioses Schauspieler-Theater!
The allure of a female voice sounds so beguiling to the ears of the young King that it makes him fall in love. But, rather than to a beautiful young girl, the voice belongs to an ugly old woman, sharing a shabby and decrepit home with her equally shrivelled-up sister. Thus starts «La Scortecata», the multi-layered tenth fairy tale of the first day of Giambattista Basile’s collection «Lo cunto de li cunti» («The Fairy Tale of Fairy Tales»), which is a «pentamerone» a collection of 50 fairy tales which, according to Neapolitan tradition, are to be told over the course of five days. The great Sicilian director Emma Dante used this tale as the starting point for her production. The title originates from Neapolitan dialect meaning «The Flayed», alluding to the fate of the ugly old woman who doesn’t fare well at all.
Emma Dante, whose COMPAGNIA SUD COSTA OCCIDENTALE has featured at almost all large international festivals, cast two male actors in the play’s only roles. The two old women are portrayed by Italian theatre stars Salvatore D’Onofrio and Carmine Maringola. Emma Dante stages the light-hearted, wickedly evil performance in the style of a modern Commedia dell’arte – and in old Neapolitan dialect – creating great actor-based theatre that is both moving and spectacular, questions appearances and ironically inverts our understanding of beauty, age, love and desire. Already celebrated in Italy and France, KUNSTFEST WEIMAR presents this production as a German premiere.
Text & Regie: Emma Dante
Bühne & Kostüm: Emma Dante
Mit: Salvatore D’onofrio, Carmine Maringola
Produktion: Festival Di Spoleto 60, Teatro Biondo Di Palermo
Koproduktion: Atto Unico, Compagnia Sud Costa Occidentale
Karten: 17,50 € / ermäßigt ab 8 €
Dauer: 70 Min
Barrierefrei (mit Anmeldung)