Über uns

Konzeptionelle Gedanken zum Programm 2022

»Sehnsucht nach morgen« ist das Motto des KUNSTFESTS WEIMAR 2022: Das innige Verlangen nach einer zukünftigen Zeit verbindet für uns den Gedanken des Ausbrechens aus dem Heute mit dem unbedingten Willen, diese Zukunft gemeinsam zu gestalten. Mit der Hoffnung, dass sich ein anderes, ein positiveres Morgen abzeichnen mag, als wir uns aktuell auszumalen vermögen.

Das Motto trägt zugleich die Spannung der Zeit in sich – als zeitgenössisches Festival reflektiert das KUNSTFEST immer die Gegenwart, gleichzeitig will es Fest sein. Doch wie lässt sich in dieser Zeit feiern? Wie schafft man es, der Schwere der brisanten Themen gerecht zu werden und trotzdem Unterhaltung zu bieten? Wie weckt man die Lust, sich wieder von zu Hause aufzumachen? Ins Theater zu gehen und sich nicht nur abzulenken von der Welt da draußen, sondern sich mit ihr auseinanderzusetzen? Sich gemeinsam zu begegnen, sich auszutauschen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken?

Viele Projekte in diesem Jahr kreisen um Themen wie Macht, Gewalt, die Zerstörung unseres Planeten und Trauer – und doch geht es nie um eine depressive Reflexion des Heute, sondern um bildmächtige und sprachgewaltige Versuche eines Aufrüttelns, um poetische Annäherungen an eine gemeinsame Veränderung. Eröffnet wird das KUNSTFEST mit dem Buchenwald-Gedächtnis-Konzert in der Herderkirche und der Videoinstallation »Der Olivenhain« des israelischen Künstler:innenduos Sigalit Landau und Yotam From auf dem Theaterplatz. Hier steht der Olivenhain nicht mehr für Reinheit und Liebe, sondern ist den Gesetzen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit unterworfen und zugleich Schauplatz politischer Auseinandersetzung. Seine Beschäftigung mit Prozessen gegen Rechts setzt das KUNSTFEST mit dem Projekt »Werwolfkommandos« (Performance & Diskurs) von Marie Schwesinger und ihrem Team fort. Der Fokus des Projekts liegt insbesondere auf der Sprache, die sich bei den Prozessen im Gerichtssaal konstituiert. Zwei weitere zentrale Projekte, die sich mit Sprache und Macht auseinandersetzen, sind zum einen die diesjährige mobile Produktion »Dirty Talking – Thüringer Verführungen« und zum anderen »Aria di Potenza«. Während es in Mauricio Kagels »Der Tribun« um die Macht der Verführung durch politische Rede geht, legt Krystian Lada in »Aria di Potenza« reale politische Reden über bekannte Opernarien und schafft so eine ganz neue Bedeutungsebene.

Mit der Zerstörung unseres Planeten bzw. wie wir damit umgehen und darauf reagieren, beschäftigen sich Projekte aus den unterschiedlichsten Disziplinen – ein besonders innovatives Projekt ist »Animate«. Hier begeben sich die Zuschauer:innen in kleinen Gruppen mit zwei Performer:innen selbst auf die Klimaflucht. Neueste Technik ermöglicht dieses Erleben körper-immersiv zwischen virtueller und realer Welt. Während Thomas Köcks Schauspiel-Uraufführung »Solastalgia« den Schmerz thematisiert, den man im Augenblick der Erkenntnis erlebt, dass der Raum, den man bewohnt, vor der Vernichtung steht, tritt in »Welcome to Paradise Lost«, der Musiktheater-Uraufführung von Jörn Arnecke und Falk Richter, die Fridays for Future-Bewegung erstmals als gewichtiger Akteur im Musiktheater in Erscheinung. Das partizipative Projekt »Trashquestra«, bei dem Studierende der Bauhaus-Universität Weimar gemeinsam mit allen interessierten Weimarer:innen auf selbstgebauten Instrumenten aus Müll musizieren, wirkt da fast schon wie ein anarchischer Abgesang.

Deshalb werden Sie Teil des KUNSTFESTS und lassen Sie uns – trotz allem – feiern – trotzig, mutig, hoffnungsfroh und ausgelassen! Wir freuen uns auf Sie!

 

Rolf C. Hemke

Künstlerischer Leiter

 

Marlies Kink

Gesamtproduktionsleitung und stellvertretende künstlerische Leitung

Geschichte

Das Kunstfest Weimar, 1990 als eine der ersten deutsch-deutschen Kulturinitiativen gegründet, ist Thüringens größtes und bekanntestes Festival für zeitgenössische Künste.

Seit 2014 wird das Kunstfest vom Deutschen Nationaltheater Weimar ausgerichtet. Von 2014 bis 2018, unter der künstlerischen Leitung von Christian Holtzhauer, hat sich das Festival gegenüber allen Kunstformen geöffnet. Internationale und überregionale Tanz- und Theatergastspiele stehen ebenso auf dem Programm wie verschiedene Konzertformate, spartenübergreifende Projekte, Literatur, Film, bildende Kunst und Kunst im öffentlichen Raum. Viele Projekte entstehen im Auftrag bzw. unter Beteiligung des Kunstfests und erleben hier ihre Ur- oder deutsche Erstaufführung. Die Stadt Weimar ist Bühne, Thema und Hauptakteur des Kunstfests. Weimar – das sind mehr als 500 Jahre deutscher Geschichte auf engstem Raum. Wie zeitgenössische Künstler*innen produktiv mit dieser Geschichte umgehen können, ist eine zentrale Frage der Programmplanung.

In den ersten beiden Jahren des Bestehens des Kunstfests war Dr. Kari Kahl-Wolfsjäger Intendantin und übergab 1992 die künstlerische Leitung an Johannes Gross. Von 1993 bis 2001 wurde das Kunstfest unter der Intendanz von Bernd Kauffmann von der Stiftung Weimarer Klassik veranstaltet. In diese Zeit fiel auch das Kulturstadt Europa Jahr 1999. 2002 wurde das Kunstfest von Ralf Schlüter geleitet und 2003 von Hellmut Seemann, dem Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar. Von 2004 bis 2013 prägte Nike Wagner das Programm des Kunstfests Weimar, das während dieser Zeit den Namen »pèlerinages« trug und sich in erster Linie als Musikfestival definierte.

Das Kunstfest ist heute, ein vielseitiges und lebendiges Festival, das mit seinem umfangreichen und vielseitigen Programm die Bewohner*innen Weimars gleichermaßen anzusprechen vermag wie die zahlreichen Gäste der Stadt. Seit 2018/19 ist Rolf C. Hemke der neue künstlerische Leiter.