Die Furcht vor »dem Fremden« bestimmt Zeitgeist und Politik. Das Thema Migration hat, wie kaum ein anderes, die politische Landschaft verändert: »Das Andere« wird zur Bedrohung. Damit zusammenhängend lässt sich ebenfalls die Angst vor Fortschritt und Gleichberechtigung verbinden, die unsere Gesellschaft aktuell in einer Weise verändert, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wäre. In »Neofilia« wird dagegen die Liebe zum »Fremden« gefeiert – die Neugier, das Staunen, die Lust am Entdecken – nicht als Aneignung, sondern als lebensbejahender Prozess. Als Ausgangspunkt dient dabei die historische Figur Maria Aurora
Spiegel – genannt Fatma: die legendäre türkische Geliebte des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken, der es trotz ihres Schicksals gelang zu einer ungewöhnlichen Form der Selbstbestimmung zu finden. Dazu verwebt Marc Sinan Texte von und über Fatma mit Auszügen aus Goethes »West-östlichem Diwan«, in dessen Zentrum die Grundüberzeugung steht, dass sich unterschiedliche Kulturen begegnen und verstehen können und in dem gleichsam eine Utopie für eine heutige Gesellschaft aufscheint. Dass sich Goethe bei diesem Werk nicht nur von der Literatur und Kultur Persiens und Arabiens inspirieren ließ, sondern dass für die Entstehung des »West-östlichen Diwans« ebenfalls einer Frau, der mit-dichtenden Marianne von Willemer, eine wichtige Rolle zukommt, verbindet auch auf dieser Ebene die Begeisterung für das Fremde mit einer feministischen Perspektive, die in Zeiten übersteigerter Männlichkeit in Politik und Gesellschaft unbedingt gestärkt werden muss. Musikalisch vereint »Neofilia« kammermusikalische Arrangements mit elektronischen Klängen und schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Komposition & Regie: Marc Sinan
Sopran: NN
Klavier: Magdalena Cerezo Falces
Gitarre: Marc Sinan
Kontrabass: Meinrad Kneer
Sound: Volker Greve
Assistenz Sound, Cemba: Ashley Maurice
Produktion: Wiebke Wesselmann, Eric Nikodym
Performance: Ichi Go
Gefördert durch Fonds Darstellende Künste, den Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien und das Goethe-Institut