Kriege und Krisen, neue Rüstungswettläufe und Migrationswellen, Ende des fossilen Zeitalters, Artensterben, Waldvernichtung, Überflutungen und Hitzetote – dieser Sommer ist ein typischer Sommer in postnormalen Zeiten. Nicht nur das Klima ist an einen Kipppunkt geraten, auch die bekannten ökonomischen und politischen Systeme wirken instabil. Große Lösungen scheinen kaum praktikabel, kleine Lösungen wenig hilfreich. Mittlerweile scheint es keinen Bereich des öffentlichen und privaten Lebens zu geben, der nicht im Blick auf die drohenden Temperaturanstiege neu justiert werden müsste. Bevor steht eine globale Krise, für die jeder einzelne persönlich Verantwortung übernehmen soll. Ist Katastrophismus die Antwort auf alle ökologischen, politischen und moralischen Fragen oder nur das Resultat dessen, daß die Welt noch um Antworten ringt?
Eine Podiumsdiskussion untersucht am Vorabend des Weimarer Kunstfests, welche Handlungsoptionen für den Einzelnen im aktuellen Weltuntergang überhaupt bestehen. Mit dabei ist Theresia Walser, Schriftstellerin, Dramatikerin, „deutsche Meisterin der Bühnengroteske“. Sie sieht in vielen ihrer Stücke die Vernunft in der Defensive. In ihrem neuen Werk »Eschenliebe« geht es um einen Mann, der eine Liebesbeziehung mit einem Baum führt, diese aber geheim zu halten versucht. Guillaume Paoli, Philosoph, kritisiert in seinem aktuellen Buch »Geist und Müll«, dass angesichts der drückenden globalen Probleme weiterhin individuelle Lösungsvorschläge propagiert werden: mit Bambus-Zahnbürsten gegen den Klimawandel. Aber selbst wenn alle Menschen auf Fleisch verzichten und nur lokale Produkte konsumierten oder Gebrauchtwaren, würden die weltweiten Emissionen um lediglich 25 Prozent sinken. Arnd Pollmann, Professor für Ethik an der Alice Salomon Hochschule Berlin, sieht in der Klimadebatte doppelte Standards. Trotz Hitzetoten, Sturmopfern und Hungernden steigen viele Menschen weiter ins Flugzeug, essen Fleisch, fahren SUV. Alle moralischen Appelle verpuffen schnell im Alltag. Bernhard Stengele, Schauspieler von Beruf und seit 2023 Thüringer Umweltminister, glaubt hingegen an die Machbarkeit von Energiewende und steht für einen konsequenten Pragmatismus. Er selbst besitzt kein Auto, fährt Fahrrad oder mit der Bahn und ernährt sich größtenteils vegetarisch und vegan.
Sie alle diskutieren am Vorabend des Kunstfestes im Lichtsaal des Weimarer Hotels Elephant unter der Moderation von Thomas Bille (MDR Kultur) über das Finale des business as usual.
Eine Kooperation von Kunstfest Weimar und MDR Kultur.
MIT Bernhard Stengele, Theresia Walser, Arnd Pollmann, Guillaume Paoli
MODERATION Thomas Bille
PRODUKTION artour, MDR, Kunstfest Weimar