Ferien auf dem Seuchendampfer

Endlose Aussicht

Schauspiel
03.09.20
20.30 Uhr

Endlose Aussicht

09.09.20
20.30 Uhr

Endlose Aussicht

11.09.20
20.30 Uhr

Endlose Aussicht

Jona sitzt in ihrer Kabine vor ihrem Frühstücksei. 10 Tage Rundreise Pazifik, Panamakanal, Karibik. Ihre Geschwister haben ihr diese Kreuzfahrt geschenkt. Nur dass die Reise längst vorbei ist. Und sie noch immer hier sitzt: 38 oder 40 Tage? Wobei sie nicht sicher ist, ob es bereits wieder Abend ist. Zum Ei ein Schlückchen Weißwein, da macht man nichts verkehrt. Schließlich verschwimmen die Zeitzonen in diesen Gewässern. Und was bedeutet schon Zeit angesichts dieser endlosen Brühe da draußen? Immerhin hat sie eine Einzelkabine, zwar ohne Fenster, aber mit Kabelfernsehen! Selbst das Meer geht ihr inzwischen auf die Nerven. Mit ihrem Smartphone versendet Jona Nachrichten, Lebenszeichen, Berichte von einem Schiff, das seit Wochen auf dem Meer herumtreibt wie ein riesiger fauler Backenzahn. Ihr Monolog kennt viele Stimmen: Sie redet nicht nur mit sich, sie redet mit allen, die nicht mehr um sie sind. Längst ist sie Teil einer Kreuzfahrtgesellschaft, die sich an die monströse Normalität gewöhnt hat. Zum Glück ist auch das Glück eine Erfindung! …
 

Theresia Walser ist eine der erfolgreichsten Dramatiker*innen ihrer Generation. Der Text wird von Judith Rosmair zum Leben erweckt, die bereits als Protagonistin an vielen der führenden deutschsprachigen Bühnen zu sehen war. Für das Videodesign zeichnet DOCUMENTA-Künstler Theo Eshetu verantwortlich.


Podcast


Produktionsvorankündigung in der Thüringer Allgemeine, am 24.8.2020

DIE KOMISCHE FEIER DER NORMALTEMPERATUR


Die sehr erfolgreiche Dramatikerin Theresia Walser kommt mit „Endlose Aussicht“ („Ferien auf dem Seuchendampfer“) zum Kunstfest.
 

Theresia Walser hat eine Begabung, von der manche sagen, dass es sie im deutschen Theater gar nicht gäbe: die Komik. Es ist eigentlich egal, welches Thema die schon lange in den Breisgauer Weinbergen lebende Autorin anfasst – und sei es noch so ernst: Am Ende schlägt sie dem Fass den Boden aus, erweist sie sich erneut als die Meisterin der lächerlichen Tiraden oder der verzweifelt-komischen Echauffierung. Sie erfindet Worte neu, dreht Redewendungen herum, bis sie elegant ins Gegenteil gekehrt sind. Man könnte ihre Texte als „Schauspielerfutter“ bezeichnen, doch trägt ein solcher Begriff dann auch wieder nicht der Fragilität, ja Künstlichkeit Rechnung, mit der sie ihre Texte anlegt, sich an klug austarierten Motivketten durch ihre Stoffe webt.

Walser kommt aus einer einflussreichen Künstler-Familie und ist die jüngste von vier Schwestern: Ihr Vater Martin ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Romanciers der Nachkriegs-Generation, ihre Schwestern Alissa und Johanna sind beide ebenfalls Schriftstellerinnen und Übersetzerinnen. Einzig Franziska Walser reüssiert bis heute als Protagonistin an großen deutschsprachigen Bühnen. Auch Theresia Walser begann als Schauspielerin, was vielleicht ihre Ader, ihre Liebe zu den und für die Spielerinnen und Spieler ihrer Texte bedingt.

Zur Uraufführung ihres Textes „Endlose Aussicht“ am Donnerstag, 3. September, in der Alten Feuerwache Weimar nun findet sie eine Konstellation vor, die für sie neu ist: Erstmals steht sie selbst in der Regieverantwortung und entwickelt die Inszenierung gemeinsam mit ihrer Protagonistin Judith Rosmair – einer Spielerin, ganz nach ihrem Geschmack: von großer Sensibilität, Kraft und Selbständigkeit, die an der Berliner Schaubühne genauso wie mit einigen ihrer selbst erarbeiteten Performances Erfolge feierte. Sie spielt Jona, die Frau, die auf einem Seuchendampfer durch die Karibik schippert. Es gibt schon erste Covid-Tote an Bord und nirgendwo darf der Kreuzer anlegen. Aber Jona gibt nicht auf, ihre tägliche Körper-Normaltemperatur feiert sie wie ein Fußballresultat.

 



Produktionsvorankündigung in der Thüringer Allgemeine, am 2.9.2020

AUCH IN WEIMAR AUF DER JAGD NACH DEM LEBENDIGEN MOMENT

Kunstfest-Köpfe: Das interdisziplinäre Künstlerpaar Judith Rosmair und Theo Eshetu

Das Kunstfest Weimar trägt die Interdisziplinarität in seiner DNA. Deshalb hat der Festivalbeitrag eines Künstlerpaars – wie es Theaterstar Judith Rosmair und der britisch-äthiopische Videokünstler Theo Eshetu bilden – geradezu etwas Zwingendes.

Die beiden frei arbeitenden Künstler bilden schon seit einigen Jahren eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Schließlich liegt auch Rosmairs letztes Festengagement (an der Berliner Schaubühne) schon rund acht Jahre zurück – auch wenn sie in den Jahren danach beispielsweise noch mit Falk Richter an ihrem alten Haus gastierte.

Inzwischen ist Judith Rosmair auch auf den Pariser Bühnen arriviert. So wirkte sie 2017 prägend an Wajdi Mouawads Uraufführungsinszenierung seines eigenen Stückes „Tous les oiseaux“ (zu deutsch: „Vögel“) am Théâtre National de la Colline mit, die international viel Beachtung fand.
 

Auf die Frage nach ihrer Leidenschaft für das Bühnenspiel formuliert sie poetisch, es gehe ihr um das „Ergreifen des lebendigen Moments“, darum „die Zeit zum Stillstand zu bringen“ – verweile doch!

Theo Eshetu interessiert sich in seinen Videoarbeiten für die Reflektion und das Hinterfragen kultureller, oft postkolonial geprägter Klischees. In „Atlas fractured“ – seiner Arbeit für die documenta XIV in Athen und Kassel 2017 – dient ihm Rosmairs mädchenhaft zartes Gesicht als Projektionsfläche für die legendäre ägyptische Königin Nofretete. Aus der Zeit eines gemeinsamen Goethe-Stipendiums in der Istanbuler Kulturakademie Tarabya vor zwei Jahren stammt ein Virtual-Reality-Projekt, an dem die beiden noch immer basteln: Rosmair spielt darin sowohl Mephisto als auch Goethes Haushälterin.


Für das Kunstfest haben die beiden nun gemeinsam mit der Autorin Theresia Walser deren Text „Endlose Aussicht“ erarbeitet, die hochnotkomische Tirade einer Passagierin, gefangen auf einem Kreuzfahrtschiff mit Covid-19-Problem. Die mächtigen, überbordend farbigen Videobilder zum Walser-Text und zur Rosmair-Performance liefert: Theo Eshetu.

  • Regie: Judith Rosmair & Theresia Walser
    Text: Theresia Walser
    Dramaturgische Begleitung: Rolf C. Hemke & Marlies Kink
    Video: Theo Eshetu
    Mit: Judith Rosmair

    Produktion: Kunstfest Weimar

    Koproduktion: Euro-Studio Landgraf, Titisee-Neustadt

Ab 14 Jahren60

Regie: Judith Rosmair & Theresia Walser
Text: Theresia Walser
Dramaturgische Begleitung: Rolf C. Hemke & Marlies Kink
Video: Theo Eshetu
Mit: Judith Rosmair

Produktion: Kunstfest Weimar

Koproduktion: Euro-Studio Landgraf, Titisee-Neustadt