Ich bin nicht bereit, gerettet zu werden*
Und bevor wir aufstehen für die »Ich bin mir meines Privilegs bewusst«-Hymne, kurze Pause: Essen ist fertig, der Spargel steht schon auf dem Tisch und nach dem zweiten Dish treffen wir uns pünktlich um 19 Uhr auf dem Balkon und applaudieren den Pfleger*innen, die sterben – als Teil des Jobs, die sterben – damit ihr leben könnt, die sterben – und »es ist immer traurig, wenn ein Mensch stirbt (…) aber es ist der Lauf der Dinge, den wir akzeptieren müssen«; Richtig: Akzeptanz! Das Drama ist vorbei, bye, thx, next! Und jetzt klicken wir auf den »Care«-Button, because we care, und jetzt klicken wir auf den »Soli«-Button (coming soon auf deinem lokalen Facebook), der Kapitalismus hat sich seine Gegner*innen wieder einverleibt, Vulnerability ist der Hype, Empathie ist jetzt ein Slogan und hey: Frau Merkel! Können wir bitte das weinerliche Gesicht loswerden? Wir brauchen einen Anführer, keine Nanny! #freedom #MyLifeMatters #ReOpenDieFriseursalons
Eine performative Collage, erarbeitet von Privilegierten (die wissen, dass sie es sind) (und sich dessen bewusst sind) (sehr bewusst) (dass sie aus einer privilegierten Position sprechen) (und sprechen) (und sprechen) (und immer weiter sprechen)
Pandemie - Eine Wiedergängerin
Was, wenn ein Virus nicht nur der schwere Befall eines Organismus wäre? Wenn es die Gesellschaft nicht in den Kollaps, sondern aus ihm herausführte? Das Virus führt eine Ärztin und einen Patienten im weitläufigen Labyrinth der Bühnenräume des HAUS DER ANTIKÖRPER zusammen. In gemeinsamer Quarantäne geben sie sich allen Phasen eines Krankheitsverlaufes mit entsprechenden Wechselwirkungen hin. Aus gegenseitiger Ansteckung, Immunisierung, Gefährdung und Heilung erwächst das Modell einer eigensinnigen, widerständigen und stolzen Gemeinschaft.
*Frank Castorf, Der Spiegel, 28.4.2020
Produktionsvorankündigung in der Thüringer Allgemeine, am 5.9.2020
BLOSS KEIN AUFTRAGSSTÜCK
Kunstfest-Köpfe Marie Bues und Sivan Ben Yishai sind am Samstag beim Kunstfest Weimar
Die „Selbstherrlichkeit“ des Regietheaters gegenüber den Theatertexten ist eine Kernthese in der alten und doch hinreichend müßigen Debatte um die sogenannte „Werktreue“. – Wer weiß schon, was Goethe seinerzeit wollte oder was seine Intentionen heute wären . . . Und wer braucht im postdramatischen Theater überhaupt noch Autoren? „Was ist die Funktion eines Autors? Wie kann man (…) neue Wege einschlagen? Wer erzählt heute die Geschichten über eine Gesellschaft?“, fragte die Regisseurin Marie Bues bereits in einem Interview vor sieben Jahren. Das geschah, bevor sie die künstlerische Ko-Leitung des freien Stuttgarter Theaters „Die Rampe“ übernahm.
Bis heute hat sie diese inne – trotz beachtlicher Karriere mit Inszenierungen an einigen der großen Bühnen des Landes. Kennzeichen ihrer Arbeitsweise und ihrer Inszenierungen ist die intensive direkte Auseinandersetzung mit den Autor*innen, eine besondere Form der Zusammenarbeit, der Kollaboration. Regelmäßige Partner ihrer Projekte waren zuletzt Thomas Köck, Felicia Zeller, Anna Gschnitzer oder eben Sivan Ben Yishai. Mit ebendieser ist für das Kunstfest Weimar das Projekt „Ich bin nicht bereit, gerettet zu werden“ entstanden, inspiriert von einem Spiegel-Interviewzitat des Regiealtmeisters Frank Castorf während des Corona-Lockdowns. Dabei handelt es sich vor allem nicht um ein Auftragsstück, denn die will sie gar nicht schreiben, wie die unter anderem am Berliner Maxim- Gorki-Theater erfolgreich arbeitende Autorin betont: „Jeden Morgen habe ich eine Verabredung mit mir selbst. Ich stehe jeden Morgen um sieben auf und schreibe. (…) Sehr oft entsteht dabei zwar nur Mist, jede Menge uninteressantes Material, das ich dringend entsorgen muss, für den Fall, dass ich sterbe, damit es niemand findet. Aber nur so entdecke ich Motive, die sich wiederholen, Figuren, Stimmen, einen Rhythmus.“ Der kurze, prägnante, ungemein ironische Text, der dennoch für das Kunstfest Weimar entstanden ist und am Samstag zur Uraufführung kommt, wird durch den Theaterfilm „Pandemie. Eine Wiedergängerin“ ergänzt.
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»Ich bin nicht bereit, gerettet zu werden*«
Text: Sivan Ben Yishai
Regie: Marie Bues
Video: Marie Bues, Niko Eleftheriadis
Mit: Niko Eleftheriadis, Sivan Ben Yishai
Produktion: Kunstfest Weimar
Koproduktion: Theater Rampe Stuttgart
Theaterfilm »Pandemie – Eine Wiedergängerin«
Von Marie Bues, Niko Eleftheriadis, Marie Ulbricht, Luise Heiderhoff, Annatina Huwiler
Text: Natascha Gangl
Koproduktion: Backsteinhaus Produktion, Theater Rampe, Theater Lübeck
Förderung: Kulturstiftung Des Bundes Im Fonds »Doppelpass – Fonds Fur Kooperationen Im Theater«, Land Baden-Württemberg
»Ich bin nicht bereit, gerettet zu werden*«
Text: Sivan Ben Yishai
Regie: Marie Bues
Video: Marie Bues, Niko Eleftheriadis
Mit: Niko Eleftheriadis, Sivan Ben Yishai
Produktion: Kunstfest Weimar
Koproduktion: Theater Rampe Stuttgart
Theaterfilm »Pandemie – Eine Wiedergängerin«
Von Marie Bues, Niko Eleftheriadis, Marie Ulbricht, Luise Heiderhoff, Annatina Huwiler
Text: Natascha Gangl
Koproduktion: Backsteinhaus Produktion, Theater Rampe, Theater Lübeck
Förderung: Kulturstiftung Des Bundes Im Fonds »Doppelpass – Fonds Fur Kooperationen Im Theater«, Land Baden-Württemberg