Goethe – eine Hassliebe

Goethe – eine Hassliebe

Weimar, 05. September 2025

Kolumne von Rolf C. Hemke 

Goethe – der Säulenheilige der deutschen Literatur, die Weimarer Lichtgestalt auf dem Olymp der Hochkultur? Nietzsches Meinung über den Faust als ‘großer deutsche Tragödie’ ist weit bekannt – nicht so die Heftigkeit der Empörung etwa des Schiftstellers und Philosophen Friedrich Theodor Vischer über der Tragödie zweiten Teil, der in Goethes Todesjahr 1832 erschien. Von einhelliger Bewunderung über den Faust II konnte ohnehin nicht die Rede sein. Aber Vischer ist heute wahrscheinlich noch am Ehesten als Eiferer gegen Goethe bekannt – seine Empörung ließ ihn fast fünf Jahrzehnte nicht los. Der Stoff selbst wurde (nicht nur für ihn) zum Obsessionsobjekt: Vischers „Faust – der Tragödie dritter Teil“ ist eine 256 Reclamheft-Seiten starke, manchmal mäßig lustige, häufig wirr verquaste Parodie. Zahlreiche Autoren versuchten sich nach Goethe an einem eigenen Faust – meist vergeblich. Chamissos Faust blieb Fragment, andere verloren sich auf Jahrzehnte in der labyrinthischen Tiefe des Stoffes. Und selbst wenn etwas dabei herauskam: Vieles blieb schwer, unzugänglich, verstörend – bis heute. Abgelassen haben die Literaten von dem Stoff nicht mehr – ob Werner Schwab, Ewald Palmetshofer oder Elfriede Jelinek. Der zuletzt noch in der Walser-Uraufführung „Von allen Geister“ im Rahmen des Kunstfest präsente Schauspieler Steve Karier nimmt sich in seiner Lecture Performance der geschichte der Faust-Rezeption nach Goethe an. Unter dem Titel „Probebohrungen an einem Mythos“ gräbt er anhand von vier Faust-Interpretationen und persönlicher Beobachtungen tief in der Rezeptionsgeschichte – und legt dabei nicht nur Goethe, sondern auch unsere eigene Sicht auf Mythos, Männlichkeit und Scheitern frei – am Samstag um 16:00 Uhr im Haus Hohe Pappeln und am Sonntag um 12:00 Uhr in der ACC Galerie, Weimar.